Mit dem Beginn des Ackerbaus vor ca. 5000 Jahren schuf der Mensch einen Lebensraum mit bis dahin nur selten vorkommenden
Standortbedingungen. Dieser Standort bot nicht nur den in Kultur genommenen Pflanzen einen Lebensraum sondern auch zahlreichen
Wildkräutern – seien es Arten von Sonderstandorten wie Spülsäume der Flüsse oder Seen oder aus benachbarten
Florenregionen, insbesondere aus der Heimat der Kulturpflanzen (Steppengebiete Südosteuropas und Vorderasiens).
Seither haben sich viele dieser Arten an die jährliche Bodenbearbeitung, die Technik des Ackerbaus und an bestimmte Kulturpflanzen
angepasst. So findet man im Wintergetreide meist andere Ackerwildkräuter als im Sommergetreide oder in Hackfrüchten. Als
hervorragendes Beispiel hierfür kann die Kornrade (Agrostemma githago) dienen, die in ihrem Lebenszyklus
vollständig an Aussaat und Ernte des Getreides angepasst ist. Früher wurde das Getreide noch in Garben gebunden, in die Scheunen
eingefahren und im Winter gedroschen. Dabei wurden langstielige Ackerwildkräuter wie die Kornrade mit eingefahren, überwinterten
in der Scheune, gelangten mit dem Stroh in den Viehstall und im Frühjahr mit dem Mist wieder auf’s Feld. Heute wird beim
Mähdrusch Korn und Stroh getrennt und die Samen der Wildkräuter bleiben auf dem Feld zurück. Da der Samen der Kornrade
frostempfindlich ist, überlebt er im freien Feld nicht und ist auf das Winterquartier in Scheune und Stall angewiesen (LANDESAMT
FÜR AGRARORDNUNG NRW 1991).
Ackerwildkräuter bilden wichtige Glieder der seit Jahrtausenden gewachsenen Lebensgemeinschaften aus Pflanzen und Tieren. So hängen von jeder Ackerwildkrautart im Durchschnitt 12 pflanzenfressende und blütenbesuchende Tierarten ab, von denen sich wiederum etliche Tierarten ernähren. So führt der Rückgang der Wildkräuter letztendlich z.B. auch zu einem Rückgang des Rebhuhns, dessen Jungen in den ersten 14 Lebenstagen auf tierische Nahrung angewiesen sind.
Zahlreiche Ackerwildkräuter sind außerdem seit langem als Heil- und Nahrungspflanzen bekannt (z.B. Echte Kamille, Gemeiner Erdrauch) oder bilden die Urform heutiger Kulturpflanzen (z.B. Hafer als Abkömmling des Flughafers). Auch wenn heute unsere Versorgung mit Nahrungsmitteln und Medikamenten gesichert erscheint, können die Wirkstoffe zahlreicher Ackerwildkräuter schon bald wieder von Interesse sein. Ihr Erbgut muss daher unbedingt erhalten werden.
Darüber hinaus tragen Ackerwildkräuter als Zeugen alter bäuerlicher Kultur zu einem attraktiven Landschaftsbild und damit auch zur Erholungsfunktion der Landschaft bei.
Da zum Erhalt der Ackerwildkrautflora generell eine extensive Ackernutzung notwendig ist, sorgen Ackerwildkräuter auch indirekt durch ihre Puffer- und Vernetzungsfunktion für einen artenreichen Lebensraum.
Da Ackerwildkräuter sehr unterschiedliche Ansprüche an den Standort und das Klima stellen, unterscheidet sich die typische Ackerwildkrautflora der Landschaften Baden-Württembergs stark. Neben Arten, die nur in bestimmten Landesteilen vorkommen, gibt es aber auch eine sog. „Basisgruppe", die auf den Äckern des ganzen Landes zu finden ist. Hierzu zählen die Arten der Kornraden-Gruppe: Hundspetersilie ( Aethusa cynapium ), Kornrade ( Agrostemma githago ), Acker-Gauchheil ( Anagallis arvensis ), Schlitzblättriger Stochschnabel ( Geranium dissectum ), Acker-Steinsame ( Lithospermum arvense ), Acker-Witwenblume ( Knautia arvensis ), Gewöhnliches Leinkraut ( Linaria vulgaris ) und Großer Klappertopf ( Rhinanthus alectorolophus ) (PIERNY 1994: 23).
Verbreitungsschwerpunkte: Oberrheinebene, Kraichgau, Obere Gäue und Ostalb
Biotopschutz nach §33 NatSchG: Da Ackerwildkräuter an den Ackerbau gebunden sind können sie nicht pauschal als „Biotop" unter Schutz gestellt werden.
Karte 1: Potentiell vorkommende Artengruppen in den Teillandschaften und Standortkomplexen Baden-Württembergs
(zum Vergrößern bitte anklicken)
(1) Ackerlichtnelken-Gruppe (2) Adonisröschen-Gruppe (3) Haftdolden-Gruppe (4) Tännel-Leinkraut-Gruppe (5) Ranken-Platterbsen-Gruppe |
(6) Knäuel-Gruppe (7) Europäischer-Sauerklee-Gruppe (8) Sandmohn-Gruppe (9) Lämmersalat-Gruppe |
1 |
Ackerlichtnelken-GruppeIn ganz Baden-Württemberg von der Ebene bis in höhere Lagen vorkommende Arten auf kalkhaltigen bis kalkreichen Böden unterschiedlicher Bodenart (steinig, Lehm, Ton) |
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1 |
Kohl-Lauch |
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1 |
Acker-Glockenblume |
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1 |
Acker-Hornkraut |
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1 |
Kleines Löwenmaul |
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1 |
Wegwarte |
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1 |
Kleine Wolfsmilch |
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1 |
Breitblättrige Wolfsmilch |
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1 |
Tauben-Storchschnabel |
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1 |
Knollen- Platterbse |
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1 |
Feldkresse |
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1 |
Acker- Wachtelweizen |
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1 |
Acker-Hahnenfuß |
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1 |
Ackerröte |
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1 |
Ackerlichtnelke |
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1 |
Gezähnter Feldsalat |
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1 |
Kuhnelke |
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1 |
Gemeiner Feldsalat |
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1 |
Auf die tiefer gelegenen wärmeren Landesteile beschränken sich folgende Arten dieser Gruppe |
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1 |
Gelber Günsel |
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1 |
Rauhaariger Eibisch |
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1 |
Saat-Leindotter |
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1 |
Acker-Rittersporn |
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1 |
Schleichers Erdrauch |
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1 |
Acker-Labkraut |
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1 |
Echter Frauenspiegel |
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1 |
Frühlings-Zahntrost |
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1 |
Gelbmilchender Mohn |
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1 |
Färber-Reseda |
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1 |
Weiße Lichtnelke |
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1 |
Glänzender Ehrenpreis |
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1 |
Schmalblättrige Vogelwicke |
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1 |
Folgende Arten bevorzugen dagegen die submontanen bis montanen Lagen von Schwäbischer Alb und Albvorrand mit entsprechenden Bodenverhältnissen: |
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1 |
Gras-Platterbse |
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1 |
Rispen-Finkensame |
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1 |
Große Fetthenne |
2 |
Adonisröschen-GruppeDie Arten dieser Gruppe besiedeln kalkhaltige bis kalkreiche, trockene, skelettreiche Lehm- und Tonböden, wie sie zumindest lokal in allen Naturräumen mit kalkhaltigem geologischem Ausgangsmaterial auftreten können. |
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2 |
Sommer-Adonisröschen |
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2 |
Kelch-Steinkresse |
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2 |
Blauer Gauchheil |
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2 |
Blasser Erdrauch |
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2 |
Schmalblättriger Hohlzahn |
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2 |
Breitblättriger Hohlzahn |
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2 |
Einjähriger Ziest |
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2 |
Trauben-Gamander |
3 |
Haftdolden-GruppeIn Baden-Württemberg hochgradig gefährdete Arten, die in ihrem Vorkommen auf kalkreiche, warme, trockene, skelettreiche Lehm- und Tonböden – auf die Kalkscherbenäcker – der Schwäbischen Alb und Muschelkalk-Gäulandschaften beschränkt sind. Eine wesentliche Gefährdungsursache neben dem Herbizideinsatz ist die Nutzungsaufgabe solcher steinigen, flachgründigen Grenzertragsflächen. Die meisten Arten dieser Gruppe zeichnen sich durch große. Leicht aus dem Getreidesaatgut zu entfernende Samen aus. Daher befinden sie sich auch durch effektive Getreidesaatgutreinigung schon seit Jahrzehnten in stetem Rückgang. |
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3 |
Flammen-Adonisröschen |
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3 |
Strahlendolde |
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3 |
Acker-Hasenohr |
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3 |
Möhren-Haftdolde |
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3 |
Ackerkohl |
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3 |
Dreihörniges Labkraut |
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3 |
Kleiner Frauenspiegel |
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3 |
Acker-Schwarzkümmel |
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3 |
Großblütiger Breitsame |
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3 |
Venuskamm |
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3 |
Spatzenzunge |
4 |
Tännel-Leinkraut-GruppeAckerwildkräuter auf mehr oder weniger kalkhaltigen, mäßig trockenen bis frischen, bindigen, oft zur Verdichtung neigenden Lehm- und Tonböden in tieferen Lagen des Landes bis etwa 600 m NN. Bei den Tännel-Leinkraut-Arten handelt es sich um so genannte „Stoppelunkräuter", Ackerwildkräuter, die erst nach der Ernte auf den Stoppeln zur Samenreife gelangen. Durch den heute üblichen frühen Stoppelumbruch unmittelbar nach der Ernte des Getreides sind solche Arten daher in ihrer Entwicklung beeinträchtigt. |
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4 |
Runder Lauch |
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4 |
Ackertrespe |
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4 |
Spießblättriges Tännel-Leinkraut |
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4 |
Eiblättriges Tännel-Leinkraut |
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4 |
Hohldotter |
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4 |
Breitblättrige Haftdolde |
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4 |
Gefurchter Feldsalat |
5 |
Ranken-Platterbsen-GruppeSehr Wärme liebende, submediterrane bis mediterrane Arten, die auf mehr oder weniger kalkhaltigen Löß-, Lehm- oder Tonböden in sommerwarmen und –trockenen Tieflagen des westlichen Baden-Württemberg, vorzugsweise im Weinbauklima vorkommen. |
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5 |
Knollenkümmel |
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5 |
Acker-Ringelblume |
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5 |
Bärtiges Hornkraut |
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5 |
Schöner Pippau |
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5 |
Mauer-Doppelsame |
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5 |
Wiesen-Goldstern |
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5 |
Ranken-Platterbse |
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5 |
Rauhaarige Platterbse |
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5 |
Einjähriges Bingelkraut |
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5 |
Acker-Klettenkerbel |
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5 |
Rebsalat |
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5 |
Schmalblättrige Wicke |
6 |
Knäuel-GruppeIn ganz Baden-Württemberg von der Ebene bis in hohe Lagen vorkommende Arten auf kalkarmen bis kalkfreien bzw. entkalkten, neutralen bis sauren Böden unterschiedlicher Bodenart (Sand, Lehm, Ton).
Kalkung und Stickstoffdüngung kalkarmer Äcker bewirkten einen deutlichen Rückgang bei vielen dieser noch wenig gefährdeten Arten. |
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6 |
Acker-Hundskamille |
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6 |
Acker-Schmalwand |
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6 |
Hederich |
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6 |
Einjähriger Knäuel |
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6 |
Acker-Spörgel |
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6 |
Rote Schuppenmiere |
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6 |
Feld-Ehrenpreis |
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6 |
Wildes Stiefmütterchen |
Viola tricolor s. str. (nur montan!) |
6 |
Arten dieser Gruppe, die hohe Lagen über ca. 900 m NN meiden: |
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6 |
Stinkende Hundskamille |
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6 |
Acker-Frauenmantel |
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6 |
Roggentrespe |
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6 |
Kornblume |
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6 |
Weicher Storchschnabel |
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6 |
Acker-Löwenmaul |
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6 |
Hasenklee |
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6 |
Folgende Arten haben ihren Verbreitungsschwerpunkt in Osteuropa und finden sich nur im östlichen Baden-Württemberg bei entsprechenden Standortverhältnissen: |
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6 |
Weichhaariger Hohlzahn |
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6 |
Bunter Hohlzahn |
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6 |
Frühlings-Zahntrost |
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7 |
Europäischer-Sauerklee-GruppeDie noch recht häufigen Arten dieser Gruppe bevorzugen kalkarme, frische bis feuchte, oft zu Verdichtung und Vernässung neigende sandige oder reine bis schwere Lehm- und Tonböden von der Ebene bis in den Montanbereich in subozeanisch getönter Klimalage. |
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7 |
Knäuel-Hornkraut |
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7 |
Acker-Schöterich |
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7 |
Niederliegendes Johannsikraut |
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7 |
Europäischer Sauerklee |
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7 |
Niederliegendes Mastkraut |
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7 |
Faden-Klee |
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7 |
Acker-Ehrenpreis |
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7 |
Quendelblättriger Ehrenpreis |
8 |
Sandmohn-GruppeSandzeiger, die auf kalkarmen, trockenen, sommerwarmen, mäßig nährstoffreichen Sandböden in tiefer gelegenen Landschaften mit subkontinentaler Tönung vorkommen. Kalkung und Stickstoffdüngung sind auch bei dieser Gruppe die entscheidenden Rückgangsursachen. |
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8 |
Acker-Krummhals |
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8 |
Reiherschnabel |
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8 |
Acker-Filzkraut |
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8 |
Gemeines Filzkraut |
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8 |
Acker-Gelbstern |
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8 |
Doldige Spurre |
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8 |
Ästige Sommerwurz |
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8 |
Sandmohn |
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8 |
Saatmohn |
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8 |
Rispen-Lieschgras |
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8 |
Dreiblättriger Ehrenpreis |
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8 |
Frühlings-Ehrenpreis |
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8 |
Zottelwicke |
9 |
Lämmersalat-GruppeIn Baden-Württemberg sehr seltene Arten auf kalkfreien, sauren, nährstoffarmen Sand- und Silikatgrus-Böden in wintermildhumider, subatlantischer Klimalage. Der starke Rückgang dieser zum Teil hochgradig gefährdeten Arten wurde durch Kalkung und Düngung bewirkt, was sich auf die säureliebenden Magerkeitsanzeiger dieser Gruppe besonders gravierend auswirkt, sowie durch Aufforstung bzw. Brachfallen ertragsarmer Sandäcker. |
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9 |
Kleinfrüchtiger Ackerfrauenmantel |
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9 |
Lämmersalat |
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9 |
Hirschsprung |
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9 |
Saat-Hohlzahn |
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9 |
Kahles Ferkelkraut |
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9 |
Buntes Vergißmeinnicht |
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9 |
Kleiner Vogelfuß |
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9 |
Acker-Ziest |
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9 |
Bauernsenf |
Artenausstattung der Regionen Baden-Württembergs an Ackerwildkräutern (nach PIERNY 1994):
Bezüglich der noch vorhandenen Artenausstattung an Wildkräutern der Regionen Baden-Württembergs können drei Kategorien unterschieden werden, für die jeweils unterschiedliche Zielrichtungen für Maßnahmen zum Schutz der Ackerwildkräuter bestehen:
- Spitzenregionen, die noch eine vielfältige, regionstypische Artenausstattung besitzen und darüber hinaus
auch durch das (Rest-) Vorkommen zahlreicher hochgradig gefährdeter Ackerwildkräuter ausgezeichnet sind.
Hierzu zählen die Hardtebene, der Untere Grundgebirgs-Schwarzwald, der Kraichgau, das Muschelkalk-Tauberland, der Gipskeuper, das Westliche Albvorland, die Westliche Voralb, die Bopfinger Voralb mit Ipf und Blasienberg und die Weißjuraflächen von Albuch und Härtsfeld
- Entwicklungsgebiete, die insbesondere an „Rote-Liste-Arten" keine „Raritä ten" mehr aufweisen, in
denen jedoch das regionsspezifische Artenmuster noch deutlich ausgeprägt ist.
Hierzu zählen die Niederungen der Mannheim-Karlsruher Rheinebene und der Neckarschwemmkegel, die Hohenloher Ebene, das Untere Kocher-Jagstland und Bauland, das Heckengäu, die Schwäbisch-Fränkischen Waldberge, das Mittlere Albvorland und die Mittlere Voralb, das Östliche Albvorland und die Östliche Voralb, die Hohe Alb und die kalten Lagen der Mittleren Kuppenalb und Filsalb, die Lone-Flächenalb, das Altmoränenhügelland und das Iller-Riß-Gebiet
- Verarmungsgebiete, deren Artenausstattung durch die moderne Landbewirtschaftung – nicht natürlicherweise,
wie dies z.B. in Hochlagen der Fall ist – soweit verarmt ist, dass typische Arten fehlen und nur noch unspezifische, weit verbreitete
Wildkräuter zu finden sind.
Hierzu zählen das Neckarbecken, das Korn- und Strohgäu, die Filder, die mäßig kühlen Lagen der Mittleren Kuppenalb und Filsalb, die Feuersteinlehmflächen in Albuch und Härtsfeld, die Mittlere Flächenalb, das Hochrheingebiet, das Bodenseegebiet und das Jungmoränenhügelland (PIERNY 1994: 16ff).
Karte 2: Entwicklungszustand der Ackerbegleitflora in den Teillandschaften und Standortkomplexen Baden-Württembergs 1994 (nach PIERNY 1994)
(zum Vergrößern bitte anklicken)
Schon seit Beginn des Ackerbaus versucht der Mensch, die „Nutzpflanzen" vor der Konkurrenz durch die unerwünschten Wildkräuter zu schützen. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts führten diese Bemühungen jedoch lediglich zu einem Zurückdrängen der Ackerwildkräuter. Erst seit dieser Zeit führten die ständige Intensivierung im Ackerbau und die konsequente „Unkrautbekämpfung" zu einem drastischen Rückgang bis hin zur Ausrottung, So sind von den rund 220 in Baden-Württemberg ehemals vorkommenden Ackerwildkrautarten bereits 17 ausgestorben oder verschollen, 18 vom Aussterben bedroht, 19 stark gefährdet und 38 gefährdet. Betroffen sind v.a. die in Wintergetreideäckern vorkommenden Ackerwildkrautarten (KÜBLER-THOMAS 1988). Zugenommen haben lediglich mehrjährige (z.B. Quecke, Ackerwinde), stickstoffliebende Arten (z.B. Klettenlabkraut) und einjährige Gräser (z.B. Windhalm, Flughafer).
Ursachen für diese Entwicklung im einzelnen sind:
- Aufgabe alter Ackerkulturen (z.B. Flachs, Buchweizen)
- bessere Bodenbearbeitung, seit 1950 Vollmechanische Bodenbearbeitung
- bessere mechanische Unkrautbekämpfung, vermehrter Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, großflächige chemische Unkrautbekämpfung (keine Samenneubildung mehr; Samenvorrat im Boden erschöpft sich)
- steigende Mineraldüngergaben (dichterer Stand der Ackerkulturen verdrängt lichtliebende Ackerwildkräuter)
- verbesserte Saatgutreinigung
- Züchtung breitblättriger Getreidesorten (geschlossene Pflanzendecke verdrängt lichtliebende Ackerwildkräuter)
Aufgrund oben erwähnter Gefährdungsursachen ist unsere heutige Ackerflur an Ackerwildkräutern oftmals verarmt. Vereinzelt findet man noch Äcker mit einer artenreichen Ackerwildkrautflora bzw. Äcker die im Randbereich noch Restvorkommen an Ackerwildkräutern aufweisen. Diese gilt es durch ackerwildkrautfreundliche Bewirtschaftung zu erhalten.
Suche und Auffinden eines geeigneten Ackers zur Bewirtschaftung als Ackerwildkrautacker:
Die ackerwildkrautfreundliche Bewirtschaftung eines Ackers bringt nur den gewünschten Erfolg, wenn im Acker noch keimfähiges Samenpotenzial an Ackerwildkräutern vorhanden ist. Zudem sollten sich nicht in stärkerem Maße Problemunkräuter (Quecke, Ampfer, Kratzdistel) auf dem Acker bzw. am Rand des Ackers befinden.
daraus folgt: Das vorhandene Samenpotenzial des Ackers muss überprüft werden.
Sind Restvorkommen an Ackerwildkräutern im Acker oder auf einer Ackerbrache (einschließlich Arten der Roten Liste) vorhanden?
Sind Ackerwildkräuter (einschließlich Arten der Roten Liste) am Rand des Ackers vorhanden? Sind wenige oder keine
Problemunkräuter vorhanden?
Wenn dies der Fall ist, ist eine ackerwildkrautfreundliche Bewirtschaftung anzustreben.
Nach Auffinden eines geeigneten Ackers:
Vertreter des Landschaftserhaltungsverbandes oder der Naturschutzbehörde halten Rücksprache mit dem Landwirt, ob er sich eine Bewirtschaftung als Ackerwildkrautacker vorstellen kann. Die Bewirtschaftung ist als Ackerrandstreifen (mindetens 5 m Breite) oder flächig möglich. Dem Landwirt werden durch Vertreter der Landschaftserhaltungsverbände oder der Naturschutzbehörde die Bewirtschaftungsbedingungen und die finanziellen Fördermöglichkeiten für Ackerwildkrautäcker erläutert.
- Verzicht auf Pflanzenschutzmittel (Herbizide, Fungizide, Insektizide e. t. c.), Halmstabilisatoren und Wachstumsregulatoren
- Bodenbearbeitung mit dem Pflug (wendende Bodenbearbeitung)
- Betonung der Fruchtfolge auf Winterfruchtbeständen
- möglichst weite, extensive, kulturartenreiche Fruchtfolgen
- als Frucht besondners geeignet sind: Roggen, Dinkel, Hafer, Braugerste
- lediglich geringe Düngung
- verringerte Aussaatstärke (50 bis 70% der regulären Saatgutmenge)
- vergrößerter Abstand der Getreidereihen auf 18-20 cm
- Verzicht auf pflegeintensive Sonderkulturen und Maisanbau
- auf sauren, sandigen Böden Einschränkung oder Verzicht auf Kalkung
- auf kalkreichen Böden Verzicht auf sauer wirkende Dünger
- Beweidung der Stoppel nach der Ernte möglich
- keine Zwischenfrüchte, keine Untersaaten
Ausnahme: Untersaaten möglich wenn in stärkerem Umfang Problemunkräuter vorhanden - möglichst weinige mechanische Bekämpfungsmaßnahmen (z. B. Eggen, Striegeln, Hacken)
Ausnahme: hoher Druck an Problemunkräutern ist vorhanden
bei unerwünschter Zunahme von Problemunkräutern:
ein- bis zweijähriger Kleegrasanbau möglich (als Alternative zur mechnischen und chemischen Unkrautbekämpfung)
Anmerkung:
Ackerwildkrautäcker sollten nicht eingerichtet werden, wenn im Vorfeld schon ersichtlich ist, dass Problemunkräuter auf einem
Acker stark verbreitet sind. Treten jedoch während der Bewirtschaftung Problemunkräuter auf, kann wie oben erwähnt (siehe
Ausnahme) verfahren werden.
Bei Ackerrandstreifen ist zu beachten:
Eine Mindestbreite von 5 m sollte gegeben sein und auf Düngung sollte verzichtet werden.
Die Empfehlungen für die Ackerwildkrautbewirtchaftung sind aus Geisbauer, C. & U. Hampicke (2012), PIERNY (1994), WEISS et al. (2013) und MLR (1992) entnommen.
Generell sollten Extensivierungen zur Regeneration der Ackerbegleitflora nur auf Flächen stattfinden, die dauerhaft als Acker genutzt werden. Flächen mit Acker-Grünland-Wechselwirtschaft sind – wie in jüngerer Zeit ackerfähig gemachtes Grünland generell – für diesen Zweck ungeeignet, da nur ein geringer Samenvorrat von Ackerwildkräutern im Boden vorhanden ist, aus denen sich nur „Rumpfgesellschaften" entwickeln. Auf grundwassernahen, überschwemmungsgefährdeten Standorten im Auenbereich und auf Vermoorungen ist generell die Umwandlung der Äcker in Extensivgrünland anzustreben. Auch Flächen zur Saatgutvermehrung sind nicht geeignet zur Extensivierung zum Schutz von Ackerwildkräutern.
Geeignet zur Anlage von Ackerrandstreifen und zur extensiven Ackernutzung sind insbesondere Äcker, die der Produktion von Futtergetreide dienen, da die Vermarktung von Getreide aus extensiver Ackernutzung unter Umständen durch den hohen Anteil an Unkrautsamen und dem dadurch veränderten Tausendkorngewicht der Getreidekörner erschwert wird.
In sog. „Feldflorareservaten" werden traditionelle Feldfrüchte (z.B. Lein, Flachs, Dinkel, Buchweizen) in traditioneller Bewirtschaftungsweise (Handarbeit, Fruchtfolge, Düngung) angebaut. Neben dem Erhalt alter Kulturpflanzen dienen diese somit der Gewinnung von Saatgut aus der Ackerbegleitflora zu deren Erhalt und zur Unterstützung von Ackerrandstreifen.
Beispiele in Baden-Württemberg:
- Beutenlay (südl. Stadtrand an der B465 Münsingen – Ehingen; Info: 07381/ 182-145)
- Eninger Weide (bei Bad Urach, Zufahrt über L380 Richtung St. Johann; Info: 07121/892-140)
- Solitude bei Nattheim
- Unterböhringen (Kreis Göppingen)
Finanziell können Ackerwildkrautäcker über Zahlungsansprüche der ersten Säule (Direktzahlungen) kombiniert mit FAKT, Landschaftspflegerichtlinie oder Kompensationsverordnung gefördert werden.
FAKT, Landschaftspflegerichtlinie oder Kompensationsverordnung sind auf derselben Fläche nicht miteinander kombinierbar.
Zahlungsansprüche der ersten Säule (Direktzahlungen):
Voraussetzung: jährliche Bewirtschaftung der Fläche muss erfolgen (mindestens 1x im Jahr mulchen; kein Brachejahr)
Landschaftspflegerichtlinie:
Ein Vertrag nach Landschaftspflegerichtlinie läuft in der Regel 5 Jahre und wird von der Unteren Naturschutzbehörde abgeschlossen. Verträge nach Landschaftspflegerichtlinie können nur abgeschlossen werden, wenn eine bestimmte Gebietskulisse z. B. eines Schutzgebietes, eines Projektgebietes oder einer Biotopvernetzung zugrunde liegt (siehe Landschaftspflegerichtlinie Punkt 4. 4. 1.)
Landschaftspflegerichtlinie (LPR) Anhang 1 |
Ausgleichsleistung |
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Extensive Ackerbewirtschaftung ohne Pflanzenschutzmittel… |
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... ohne Stickstoffdüngung |
590 |
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... mit angepasster Stickstoffdüngung |
350 |
||
Zulagen Ackerbewirtschaftung (kann zusätzlich zu obigen Sätzen gezahlt werden) |
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||
Bewirtschaftung in Form von (Rand-)Streifen |
100 |
||
Maßnahmen auf Flächen hoher Bonität (Ackerzahl > 60) |
150 |
||
Zusätzliche Maßnahmen zum Schutz gefährdeter Arten |
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||
... bei hohem Arbeits- und Beratungsaufwand |
340 |
||
... bei geringerem Arbeits- und Beratungsaufwand |
260 |
Zahlungsansprüche der zweiten Säule (FAKT):
FAKT ist nicht an eine Gebietskulisse gebunden.
FAKT |
Ausgleichsleistung |
Fruchtartendiversifizierung (mind. 5-gliedrige Fruchtfolge) |
75 |
Ökolandbau Einführung - Acker/Grünland (2 Jahre) |
350 |
Ökolandbau Beibehaltung -Acker/Grünland |
230 |
Verzicht auf chem.-synth. Produktionsmittel |
190 |
Verzicht auf Herbizide im Ackerbau |
80 |
Anmerkung: Die Inanspruchnahme von 190 €/ha für Ökologischen Landbau schließt die Inanspruchnahme von Ausgleichsleistungen für Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel und Verzicht auf Herbizide aus.
Kompensationsverordnung:
Die Bewirtschaftung eines Ackerwildkrautackers kann als Kompensationsmaßnahme (+Ökopunke) zur Kompensation von Eingriffen
(-Ökopunkten) erfolgen.
Entweder sind der Maßnahmenträger ("Eingreifer") und derjenige, der die Kompensation durchführt, identisch oder die
Einstellung der Kompensationsmaßnahme ins Ökokonto kann bei der Unteren Naturschutzbehörde beantragt werden.
Weitere Informationen zu den Förderprogrammen gibt es beim Landkreis (Landwirtschaftsamt oder Untere Naturschutzbehörde).
Sonderprogramm zur Stärkung der biologischen Vielfalt:
Im Rahmen dieses Programms des Landes Baden-Württemberg werden Vertragsangebote für den Ackerwildkrautschutz in und um Naturschutzgebiete in der Broschüre "Landwirtschaft schafft biologische Vielfalt" zusammengefasst.
Langfristiger Ackerwildkrautschutz:
Es ist erstrebenswert, die ackerwildkrautfreundliche Bewirtschaftung hochwertiger Ackerwildkrautäcker über längere
Zeiträume zu sichern.
Verträge über FAKT oder Landschaftspflegerichtlinie laufen lediglich 5 Jahre, und ob ein Anschlussvertrag erfolgt, ist von
verschiedenen Faktoren abhängig (z. B. Interesse des Landwirts, Haushaltslage des Landes).
Ein Schritt zur langfristigen Sicherung des Ackerwildkrautackers ist sein Grunderwerb aus Naturschutzgründen, mit dem Ziel des Erhalts
des Ackers als Ackerwildkrautacker.
Daher ist oftmals eine dauerhafte Sicherung der Flächen über Naturschutz-Grunderwerb aus privater Hand in öffentliche
Hand (Gemeinde, Land Baden-Württemberg) oder an einen Naturschutzverband bzw. -verein anzustreben.
Voraussetzung: Der Eigentümer des Ackers ist mit dem Verkauf seines Ackers einverstanden.
- van ELSEN et al. (2005): Karlstadter Positionspapier zum Schutz der Ackerwildkräuter. in: Naturschutz und Landschaftsplanung 9/10/2005 S. 284-286
- GEISBAUER, C. & U. HAMPICKE (2012): Ökonomie schutzwürdiger Ackerflächen - Was kostet der Schutz von Ackerwildkräutern? Boschüre. Greifswald. 50 S.
- HOFMEISTER, H. und GARVE, E. (1998): Lebensraum Acker. Parey Verlag
- INSTITUT FÜR LANDWIRTSCHAFT UND UMWELT (Hrsg.) (2008): Wirksamkeit und Fördermöglichkeiten von Zusatzstrukturen in der Landwirtschaft als Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt Literaturstudie im Auftrag des Deutschen Jagdschutz-Verbandes e.V. ilu-Schriftenreihe Band 16. 80 S.
- KÜBLER-THOMAS, M. (1988): Schutzprogramm für Ackerwildkräuter. – Arbeitsbl. Naturschutz 8: 1 – 16. LfU, Karlsruhe.
- LANDESAMT FÜR AGRARORDNUNG NRW (Hrsg.) (1991): Schutz der Ackerwildkräuter und ihrer Lebensräume. Ackerränder in Nordrhein-Westfalen. – Landesamt für Agrarordnung NRW. 14 S.
- MINISTERIUM FÜR LÄNDLICHEN RAUM, ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT UND FORSTEN (Hrsg.) (1992): Biotopvernetzung in der Flur - Ackerwildkräuter. Bedeutung und praktische Empfehlungen für den Erhalt., MLR-54-92
- MINISTERIUM FÜR LÄNDLICHEN RAUM, ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT UND FORSTEN (Hrsg.) Broschüre: Ackerwildkräuter in Baden-Württemberg; Landschaft als Lebensraum; nach PIERNY, M. (1994)
- OESAU, A. (2002): Ackerwildkräuter schützen. AID-Heft. 4. überarb. Auflage. 44 S. ISBN 3-8308-0213-7
- PIERNY, M. (1994) : Bestandsaufnahme zum aktuellen Entwicklungszustand der Ackerbegleitflora und ihre räumliche Differenzierung in Baden-Württemberg. Erstellung eines regionalisierten Bedarfs- und Maßnahmenkonzepts zu Erhalt, Entwicklung und Regeneration des zurückgehenden und gefährdeten Anteil der Ackerbegleitflora in Baden-Württemberg. – Stuttgart. 133 S.
- Anlagen zu PIERNY, M. (1994)
- RODI, D. (1984): Modelle zur Einrichtung und Erhaltung von Feldflora-Reservaten in Württemberg. Verh. Ges. f. Ökologie. Band XIV, Hohenheim 1984, S. 167-172
- SCHUMACHER, W. (1982): Die Pflanzenwelt der Äcker, Raine und Ruderalplätze - Gefährdung - Erhaltung - Pflege. Deutscher Naturschutzring, Bonn. 25 S.
- WEISS et al. (2013): Ackerwildkräuter am Württembergischen Riesrand
- Handlungsanleitung Lichtstreifen auf Äckern (EVA-Projekt des NABU Baden-Württemberg)
- Ackerrandstreifenprogramm der Stadt Heilbronn
- Projekt von DBU, Uni Göttingen, FIBL und DVL: ein deutschlandweites Netz von Ackerwildkraut-"Schutzäckern"
- Biotopverbundplanung Stuttgart-Zazenhausen - Verbund- und Aufwertungsmaßnahmen in der Feldflur
- "Ackerwildkräuter für Bayerns Kulturlandschaft" (Bayerische KulturLandStiftung und TU München)
- Stiftung Hof Brechmann
- Vertragsangebote: "Landwirtschaft schafft biologische Vielfalt" (Broschüre 2020)