Als Ende der 60er Jahre tausende Hektar landwirtschaftlicher Fläche brachfielen, weil deren landwirtschaftliche Nutzung nicht mehr
gewährleistet war, begann man sich zu fragen, mit welchen Maßnahmen eine Offenhaltung der Kulturlandschaft gewährleistet und
wie Grünland in Grenzertragslagen für eine zukünftige Nutzung erhalten werden könne. Man fürchtete eine Verwaldung
ganzer Landstriche vor allem im Bereich der Grenzertragslagen der Mittelgebirge, ein Zuwachsen von ganzen Talzügen in ohnehin stark
bewaldeten Regionen, wie großen Teilen des Schwarzwalds, und den Verlust an Erholungsräumen, die über einen gewissen Umfang
an Offenland verfügen müssen, um dem gesellschaftlichen Anspruch an eine intakte Erholungslandschaft gerecht zu werden. Von
Seiten des Naturschutzes wurde der Verlust von artenreichen Wiesen und Weiden prognostiziert, deren Artengemeinschaften von der extensiven
Nutzung oder Pflege abhängig sind.
Unter dem Eindruck dieser einsetzenden Entwicklung wurden im Jahr 1975 auf Veranlassung des Landwirtschaftsministeriums
Baden-Württemberg in verschiedenen, besonders zur Verbrachung neigenden Landschaften Baden-Württembergs insgesamt 16
„Versuche zur Offenhaltung der Kulturlandschaft“ angelegt. Zwei davon mussten in den ersten Jahren eingestellt
werden, weil die Fläche nicht mehr verfügbar war, so dass bis heute 14 der Versuche weitergeführt werden.
Standorte der Versuchsflächen
Die Versuche sind in ihrer Vielfalt und Länge der Versuchsdauer einmalig in Europa.
Der lange Zeitraum der Versuche von nunmehr über 45 Jahren schafft die Voraussetzung, um
Erkenntnisse über die Verschiedenartigkeit von Sukzessionsabläufen auf Grünlandflächen und über das Verhalten von
Pflanzenbeständen nach langjährigen, extensiv gehaltenen Pflegemaßnahmen wie Mulchen, Mähen,
kontrolliertes Brennen und Beweiden in unterschiedlichen Intervallen zu erhalten.
Hieraus konnten praxisnahe Erkenntnisse für standortgerechte Methoden der Landschaftspflege abgeleitet werden, die im Jahr 2000 zusammenfassend als eine Bilanz der Offenhaltungsversuche in Baden-Württemberg in einer Broschüre und im Jahr 2009 nach 35 Jahren in einem Buch "Artenreiches Grünland in der Kulturlandschaft" veröffentlicht wurden.
Angesichts des fortwährenden Rückzugs der Landwirtschaft aus den Grenzertragsflächen und der hohen finanziellen
Aufwendungen des Landes Baden-Württemberg für die Landschaftspflege haben die Offenhaltungsversuche an Aktualität nichts
verloren.
Die Versuche liefern heute Erkenntnisse für den gezielten, effektiven und budgetschonenden Einsatz von Finanzmitteln zur
Landschaftspflege. Darüber hinaus werden zahlreiche vermutete Zusammenhänge durch ihre Langfristigkeit bestätigt und neue
Einsichten für Wissenschaft und Praxis gewonnen. Die rund 40 jährigen Erfahrungen, die durch die Bracheversuche in
Baden-Württemberg gesammelt wurden, haben bisher manche Theorie zu Fall gebracht. Auch mit jedem weiteren Jahr sind neue Erkenntnisse
zu erwarten. Daher wird die Versuchsreihe auch zukünftig fortgesetzt.
Die langjährige erfolgreiche Durchführung der Offenhaltungsversuche in Baden-Württemberg basiert auf einem kontinuierlichen und erfolgreichen Zusammenwirken unterschiedlichster Behörden und Institutionen.
Die Federführung über die Versuche hat das Ministerium für Umwelt, Klima und
Energiewirtschaft Baden-Württemberg (UM), Referat Landschaftspflege.
Mit der praktischen Versuchsdurchführung sind die Regierungspräsidien bzw. die regional
zuständigen Landwirtschaftsämter der Landkreise sowie Auftragnehmende vorort beauftragt. Die Landesanstalt
für Landwirtschaft, Ernährung und Ländlicher Raum (LEL) koordiniert die Versuche und betreut sie fachlich und
organisatorisch.
Mit der wissenschaftlichen Betreuung wurde Herr Prof. em. Dr. Karl-Friedrich Schreiber (früher Universität Hohenheim, dann
Universität Münster, Institut für Landschaftsökologie) beauftragt, später in Kooperation mit Herrn Prof. em. Dr.
Helmut Jacob (früher Universität Hohenheim, Institut für Pflanzenbau und Grünland). Professor Schreiber hat am 11. Juli
2005 für seine Verdienste um die Offenhaltungsversuche das Bundesverdienstkreuz erhalten.
Seit 2004 ist Herr Prof. Dr. Peter Poschlod (Universität Regensburg, Institut für Botanik) mit der wissenschaftlichen Leitung der
Offenhaltungsversuche betraut. In Zusammen-arbeit mit Herrn Dr. Simmel (Naturkundemuseum Karlsruhe) werden kontinuierlich botanische
Untersuchungen durchgeführt. Unter der Anleitung von Frau Prof. Dr. Gabriele Broll (Universität Osnabrück, Institut für
Geographie) und Frau Prof. Dr. Yvonne Oelmann (Universität Tübingen; Forschungsbereich Geographie) erfolgen stetig
bodenökologische Untersuchungen. Zoologische Untersuchungen werden von Herrn Dr. Brauckmann (Universität Osnabrück, Institut
für Geographie) angeleitet.
Standorte der Versuchsflächen
Die Versuche sind in ihrer Vielfalt und Länge der Versuchdauer einmalig in Europa.